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Friday, July 17, 2020

Nur die Gäste fehlen - F.A.Z. - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Dieser Nebeneffekt bleibt aus: Wenn in Mailand in der jüngeren Vergangenheit Modewoche war, dann kursierten jedes Mal noch Tage später halbwegs scharf bis grob verwackelte Bilder der Schau von Miuccia Prada im Instagram-Feed. Prada aus der Perspektive der Modeleute, multiple views sozusagen. Am Dienstag dreht Prada dieses Konzept weiter und lässt andere die neue Kollektion interpretieren, fünf echte Kreative, wie den Fotografen Jürgen Teller und den Filmemacher Terence Nance.

Johanna Dürrholz
Jennifer Wiebking

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Zu den multiple views, so der Name des Prada-Projektes, gehören also auch verschwommenen schmale Anzüge von Prada, Kleider mit dem Logo auf der Brust, Nylontaschen, die an die Wurzeln der Designerin erinnern. Nur der künstlerische Anspruch ist jetzt höherer als der des Moderedakteurs mit seinem iPhone XS in Reihe 2, der alles tut, um den Hinterkopf des Vordermanns nicht im Bild zu haben. 

Man muss nicht weiter ausholen, um zu erklären, warum eine physische Modewoche mit Schauengästen aus aller Welt zum aktuellen Zeitpunkt keine gute Idee ist. Mailand, die Hauptstadt der Lombardei, im Februar war es das Einfallstor für das Corona-Virus in Europa. Auf die digitale Couture in Paris vergangene Woche folgt somit die digitale Fashion Week in Mailand. Die Designer präsentieren ihre Männerkollektionen, die eigentlich im Juni hätten gezeigt werden sollen sowie häufig noch das Resort-Programm von Mai. Was nicht bedeutet, dass sich nichts getan hätte bei den Italienern. Bei Tod’s zum Beispiel hat sich der neue Kreativ-Direktor Walter Chiapponi in der Zwischenzeit eingelebt. Unter seiner Führung ist jetzt alles eine Spur markanter. Den Lederstiefeln verpasst er dicke Gummisohlen, den Mänteln Mehrfach-Kragen, die Schnitte sind übergroß, der Schmuck üppig. Dazwischen kommt er zu Wort, so läuft die Choreographie einer Online-Schau.

Rüber zu Ermenegildo Zegna, auch hier geht es anders los als sonst: Alles beginnt auf der Erde, und die Erde hat einiges an Natur zu bieten. Atemberaubende Aufnahmen, von Bergen und Tälern und Wiesen und Wäldern, wechseln sich ab mit Eindrücken von Maschinen einer Kleiderfabrik. „Nature Man Machine“ ist dann auch der Titel der Schau, und Alessandro Sartori schickt seine Models abwechselnd durch die Natur und durch das, was der Mensch ihr angetan hat, also Fabrik-Gebäude.

Sartori setzt auf Leichtigkeit, wie er selbst nach der Schau sagt: viel Baumwolle und Seide, helle Farben, beige, zartrosa, hellgrün, grau, und lockere Schnitte. Die Models sehen in ihren kurzen Anzughosen mit den Oversize-Jacketts auch mal aus wie aus einer Hipster-Schule abgehauen, doch vieles ist alltagstauglich, wie etwa die leichten Sommerpullover mit Lochmuster oder die langen Sommermäntel. Anlässlich des 110. Zegna-Jubiläums posieren die Models am Ende in Formation auf dem Zegna-Hauptquartier. Nur die Gäste fehlen.

Bei Dolce & Gabbana und Etro sind sie doch da. Endlich sieht man mal wieder gut angezogene Italiener, in Anzügen mit schmalen Krawatten, in Leopardenhosen und Sandalen mit hohen Absätzen, natürlich mit Masken. Ach, Italien. Auf dem Laufsteg von Dolce & Gabbana geht es passenderweise ans Meer, jedenfalls modisch, mit luftig geschlitzten Hemden und kaleidoskopisch blau bedruckten Hosen. Bei Etro streifen Models in bedruckten Blousons und mit Foulards um den Hals vorbei an den paar Gästen, die mit großzügigem Mindestabstand auf ihren Plätzen sitzen. Aber zuvor haben es sich die Geschwister Veronica und Kean Etro nicht nehmen lassen, einmal hoch Richtung Kamera-Drohne zu winken.




July 17, 2020 at 11:47PM
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Dolce & Gabbana

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